Concertino
Keller + Kuhn
 
 
 

Der grosse, runde Tisch im Clubzimmer des Stadtcafés ist, wie von Maag mehrmals

überprüft, perfekt gedeckt: Fünf Teller, fünf Messer, Gabeln, Löffel, fünf Weissweingläser

und fünf bauchige Rotweingläser vor den Tellern rechts, fünf Leute am Tisch, neben dem

äussersten Messer an jedem Platz ein Handy: Macht fünf Handys. Die fünf Gäste sitzen mit

geschlossenenen Augen an ihren Plätzen, die Handflächen zur Hälfte flach auf dem Tisch,

alle sichtlich hochkonzentriert. Ist eine leicht nervöse Spannung zu verspüren?

Wird es gut gehen?


Und schon beginnt es.


Das erste Handy intoniert eine Amsel, das zweite die ersten Takte der Nationalhymne, das

dritte einen pfeifenden Teekessel, das vierte das von der stolzen Besitzerin eingespeiste

Krähen ihres Neugeborenen, eines Knaben (51 cm, 3700 g), das fünfte und letzte fügt das

Klacken einer mechanischen Schreibmaschine (Hermes Media 3), hinzu, auf der immer

dasselbe Wort, nämlich Kikeriki, mit klingelnder Zeilenschaltung nach jeder Silbe,

geschrieben wird. Welch ein Klanggebilde!

 

Bravo! Maag legt den Hörer des Apparates im Nebenraum auf. Bravissimo! Begeistert

klatscht er in die Hände und setzt sich wieder zu den Gästen. Am meisten beeindruckt hat

ihn bei der Premiere seines Concertinos für fünf Handys, op. 1, die Disziplin der Solisten,

die noch genau so dasitzen wie in dem Augenblick, als er sie verlassen hat, jetzt jedoch

entspannt und einander zulächelnd.

 

„Rita“, sagt Maag, „Sie können mit Auftragen beginnen, zur Feier dieses glücklichen

Anlasses werde ich mich persönlich um den Wein kümmern.“