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Eigentlich sollte man über Christo und Jeanne-ClaudeĀ´s "The Gates" erst danach "“ in einem Monat, in einem Jahr, in zehn Jahren "“ berichten. Die gigantische Installation vereint zwei Themen, die untrennbar zusammen-gehören: Schönheit und Vergänglich-keit. Was schön is"”und "The Gates" ist schön, atemberaubend schön (man kommt bei Christo und Jeanne-Claude nicht um diese belasteten Wörter herum)"”, vergeht: eine Blume, unser Leben, "The Gates".
Ich habe "The Gates" bereits dreimal besucht. Die Installation befrachtet einen mit Gefühlen, deren Formulierung einen selber aufhorch-en lässt. Man darf doch heutzutage Kunst nicht mehr als magisch und märchenhaft (in der Nacht), als zusammenbringend und"” um Him-mels willen! "”heilend (bei Tag) oder erhebend und gar erhaben (von oben) empfinden! Noch schlimmer: diese begehbare Skulptur fordert einen auf, mitzuspielen"”ie ein Pinball schiesst man durch die Tore, durchaus ein bisschen mit dem Gefühl, gespielt zu werden.
Verlässt man die Installation, um sie von oben zu betrachten, so ist man übergangslos Spieler und damit ein bisschen allmächtig geworden geworden (hat der Schöpfer dieses Riesenspiels nicht ein etwas anmassend göttlichen Namen?). Man braucht sich nur noch die Knöpfe, vorzustellen, mit der man die Bälle, von denen man eben selber noch einer war, durch New Yorks grössten Park, durch der Welt grösste Pinballmaschine, jagen zu können.
Was man dabei gern vergisst: Der Central Park ist selber ein Kunst-werk, das mit der Natur spielt, eine sich stets erneuernde Installation, deren Sinn es ist, sich über die Natur zu erheben, ohne dass diese Absicht erkannbar wird. "The Gates" ruft auch das wieder in Erinnerung"”eine Erinnerung, die sich beim nƤchsten, "Gates"-losen Besuch im Central Park bemerkbar machen wird.
Christo und Jeanne-ClaudeĀ´s Werke werden erst zu Kunst, wenn sie verschwunden sind. Was jetzt fast zu schƶn sein mag, verwandelt sich in ein virtuelles Danach. Was von der bewusst vergänglich angelegten Schƶnheit bleiben wird, ist der Eindruck. Das Bild, das wir speichern, die Erinnerung daran (selbst, wenn wir nicht da gewesen sind). "The Gates" verƤndert den New Yorker Central Park sechzehn Tage lange, doch mehr noch wird er den Park verändern, wenn wir die Abwesenheit der Installation erleben "”so lange, wie unsere persönliche Erinnerung währt.
Die Künstler haben den richtigen Ort dafür gewählt: New York ist die Stadt der Bilder, die meist fotografierte, am häufigsten abge-filmte Stadt der westlichen Welt. In der Bilderwelt kommt es nicht einmal darauf an, dass viele der New-York-Bilder, die wir uns aus zahllosen Filmen angeeignet haben, in Vancouver gemacht worden sind. Das "Falsche" mag uns gar vertrauter sein: Selbst für jemanden, der New York noch nie besucht hat, mag es unmöglich sein, sich hier nicht ein bisschen trügerisch vertraut zu fĆ¼hlen. So wird es uns mit "The Gates" gehen. Ist die Kunst einmal nicht mehr fassbar, dauert sie in unserem Gedächtnis umso länger an. Ein Kunstwerk, das einmal da war, es aber jetzt nicht mehr ist, hat mehr Einfluss, als eines, das bleibt. Es ist einfacher, einen Gegenstand aus einem Park als ein Bild aus dem Gedächtnis zu entfernen.
Christo und Jeanne-Claude haben ein neues Bild in unserem kollektiven GedƤchtnis abgespeichert. Dass es zum Gegenbild eines anderen, in dieser Stadt entstandenen Bildes"” jenem von zwei Passagierflugzeugen, die von zwei gigantischen Türmen geschluckt werden"”dienen könnte, war nicht die Absicht der Künstler (die sich ohnehin kokett absichtlos geben, was natürlich auch nichts anderes als eine Absicht ist). Das Projekt begann 1979, lange vor dem 11. September 2001, so wie auch "Wrapped Reichstag" lange vor der deutschen Einheit geplant war. So wie die Schönheit und die Vergänglichkeit jenes Projektes"” mit dem kollektiven Bild und dem kollektiven GefĆ¼hl, dass es schuf"” möglicherweise mehr zu deutschen Wiedervereinigung beitrug, als jede Politik, so mag es "The Gates" gelingen, den New Yorkern das wieder zurückzugeben, das mit den Bildern des 11. Septembers verloren gegangen ist"”Einheit. Q
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